30 Tage Rollentrainer

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Ein Selbstversuch

Der Plan war gut: 30 Tage am Stück wollte ich jeden Tag mindestens 30 Minuten im Sattel und auf der Rolle sitzen. Die Motivation war hoch, immerhin wollte ich nicht nur mich testen, sondern vor allem auch schneller werden, meinen FTP-Wert erhöhen und mein Körpergewicht senken. Was aber bringt so ein hartes Trainingsprogramm wirklich und klappt das überhaupt neben Beruf, Familie und anderen Hobbys?

Inhalt

Der Plan

Nichts ist so gut wie ein guter Plan und deswegen hatte ich mir im Vorfeld ziemlich viele Gedanken darüber gemacht, wie ich meine 30 Tage auf der Rolle angehen will. Jeden Tag einfach ein paar Kilometer abzuspulen war keine Option. Das wäre zum einen langweilig und würde zum zweiten vermutlich nur wenig hinsichtlich meiner Form bringen. Daher suchte ich mir einen sechswöchigen Trainingsplan als Grundlage. Dieser umfasste vier beziehungsweise fünf Workouts pro Woche. Als Minimum visierte ich vier strukturierte Workouts pro Woche zwischen 45 und 90 Minuten an. Die restlichen Tage wollte ich mit freien Fahrten oder - je nach Gefühl - weiteren Workouts auffüllen. Mindestens 30 Minuten pro Tag wollte ich auf der Rolle sitzen, selbst wenn diese dann nur lockere Erholung wären.

Jeden Tag für 30 Tage am Stück in die Fahrradschuhe steigen, so war der Plan

Meine bisherigen Erfahrungen auf der Rolle würde ich als durchschnittlich einstufen. Ich saß alle zwei, drei Tage mal drinnen auf dem Fahrrad und habe je nach Lust und Laune ein Workout abgespult. Auch an dem ein oder andere Rennen hatte ich schon mal teilgenommen, allerdings außerhalb jeglicher Konkurrenz. Ich konnte nie an der ersten, zweiten, eher an der dritten Gruppe bleiben. Im Schnitt kam ich so auf drei Stunden pro Woche, die ich auf dem Rollentrainer verbrachte.


Woche 1: Fehlstart

Ich war schon ganz schön aufgeregt, fast wie vor einem Wettkampf. Es fühlte sich ziemlich genau so an wie kurz vor dem 1. November 2017, als ich mich auf den ersten spezifischen Trainingstag für meine erste Triathlon-Langdistanz freute. Doch während das damals ganz gut klappte, hatte ich am ersten Tag meiner "30 Tage auf der Rolle"-Challenge ganz andere Probleme, als ein gutes Einstiegsworkout rauszusuchen. Eins meiner beiden Kinder hatte pünktlich zum Wochenende einen Magen-Darm-Virus aus der Kita mit nach Hause gebracht. Dieser suchte mich genau einen Tag vor dem Start der Challenge heim. Als ich nur irgendwie daran denken konnte, wieder auf dem Fahrrad zu sitzen, war bereits der vierte Tag meiner Herausforderung angebrochen. Immerhin war ich dann richtig krass motiviert und wollte naturgemäß gleich zu viel. Daher spulte ich in den letzten vier Tagen der Woche gleich alle Workouts ab, die auf dem Trainingsplan standen. Das zog so rein, dass ich am Tag danach superfertig für 30 langwierige Minuten aufs Rad stieg.

Nicht mal das Setup konnte ich in den ersten Tagen der Challenge aufbauen

Woche 2: Müde, hungrig, unsozial

Den Rest der zweiten Woche nutzte ich dann, um wieder "auf die Beine zu kommen", was ziemlich gut gelang. Ich schaffte zwar wieder "nur" vier Workouts, dafür aber jeweils mit einem Erholungstag dazwischen. Ich war im Flow und freute mich schon fast auf die dritte Woche.

Während der zweiten aktiven Woche spürte ich deutlich, wie sich mein gesamter Organismus an das Training anpasste. Die Portionen auf meinem Teller wurden fast täglich größer. Ich hatte so einen Hunger, dass ich irgendwann anfing, ein zweites Frühstück in meinen Tagesplan aufzunehmen. Auch die Portionsgrößen wuchsen im Laufe des Experiments. Der ungewöhnlich hohe Umsatz durch den hohen Trainingsaufwand machte es schwer, an etwas anderes außer Training und essen zu denken. Überraschend für mich war, dass ich mich trotzdem immer noch weitestgehend gesund ernährte. Ich versuchte vor allem, fette Nahrungsmittel wie Nüsse, Avocado und Fisch zu verzehren, um genügend Kalorien zuzuführen.

Neben dem täglichen Rollentraining absolvierte ich auch weiterhin zwei bis drei Mal pro Woche ein Krafttraining für Arme, Bauch, Rumpf und gelegentlich Beine. Das lief eher nebenher und vor allem unstrukturiert. Mal machte ich Klimmzüge, wenn ich mit den Kindern auf dem Spielplatz war, mal absolvierte ich ein kleines Boxtraining mit Seilspringen, Boxsack und Hanteln. In der Kombination mit dem täglichen Rollentraining führte das allerdings auch dazu, dass ich kaum noch soziale "Verpflichtungen" wahrnehmen konnte. Wenn ich nicht trainierte, dann aß ich, ruhte mich aus oder war mit den Kindern beschäftigt. Meine anderen Hobbys und Aktivitäten schliefen vollkommen ein, so wie ich abends um halb zehn auf der Couch.


Woche 3: Täglich grüßt das Rollentier

Die dritte Woche war für mich sehr überraschend. Obwohl ich viel mehr Kalorien konsumierte als vor der Challenge, zeigte die Waage gleich mal 2,2 Kilogramm weniger an. Auch die Beine hatten sich offensichtlich an das tägliche Pedalieren gewöhnt. Morgens nach dem Aufwachen fühlten sie sich zwar jedes Mal wie Brei an - nach einer kalten Dusche, einer Tasse Kaffee und ein wenig Bewegung war das aber immer öfter passé. Auch meine mentalen Kräfte schienen sich gegen Ende der dritten Woche an das tägliche Fahrrad-Programm gewöhnt zu haben. Es war mittlerweile fast Routine, nach dem Abendessen nochmal auf das Fahrrad zu steigen.


Woche 4: Am Ende wird es zäh

Die letzten Tage vergingen wie in Kaugummi-Zeitlupe. Mein Körper signalisierte mir nun deutlich, dass er eine Pause braucht, ebenso mein Kopf. Schwere Beine sind natürlich eine Sache, aber es fiel mir ab der vierten Woche zunehmend schwerer, mich zu motivieren. Egal womit ich versuchte, mein Training aufzupeppen: Es war brutal hart. Noch einmal wollte ich fünf Workouts durchziehen. Die kurzen und hochintensiven Intervalle waren auch gar nicht das Problem, die konnte ich immer noch schnell durchprügeln. Aber Workouts mit langen Fahrzeiten im Tempo-Bereich waren wirklich der Alptraum. Sie verlangten mir mental wirklich die letzten Körner ab.

Immerhin hatte ich entdeckt, dass mich Heavy Metal und sogar Hardcore-Musik am besten und als einziges Mittel überhaupt noch irgendwie vorantrieben. Mich auf einen Film oder YouTube-Clip zu konzentrieren, war schon lange nicht mehr möglich. Auch auf Podcasts konnte ich mich nicht mehr fokussieren. Zusätzlich nervte es mich zunehmend, die ganze Zeit auf einen Bildschirm zu starren. Das tat ich ja im Büro schon den lieben langen Tag! Ich wünschte mir sehr, endlich mal wieder draußen zu fahren. Leider war das aber nicht ganz im Sinne der Challenge und im Zeitplan meines Tagesablaufs. Denn während die Vorbereitungen für das Rollentraining ja nur fünf Minuten dauerten, war das für einen Ride draußen bei niedrigen Temperaturen wesentlich länger. Trotzdem machte ich am letzten Wochenende eine Ausnahme und fuhr zweimal etwa eine Stunde einfach draußen ein wenig umher. Obwohl es kalt und nass war, fühlte es sich großartig an, mal wieder den echten Wind und nicht die stickige Luft des Ventilators um die Nase geweht zu bekommen.

Die letzten Fahrten waren dann auch wieder etwas besser. Ich fühlte mich natürlich immer noch total abgeschlagen und konnte manchmal die Benchmarks des Trainingsplans kaum noch umsetzen, aber das Licht am Ende des Tunnels - und damit meine ich nicht den Bildschirm - kam ja immer näher. Ich versuchte nochmal etwas Neues: Drum and Bass und dazu Videos von Cyclocross-Rennen. Das brachte nochmal einen neuen Reiz und so kam ich am Ende dann wieder gut durch. Die allerletzte Fahrt wollte ich dann nochmal richtig zelebrieren und "genießen", ohne Workout, Musik oder Film. Nur ich und die Rolle. Und dann war es geschafft: Die "30 Tage auf der Rolle"-Challenge war zu Ende.


Das Ergebnis

Das erste Ergebnis ist natürlich eindeutig beeindruckend: In insgesamt 27 Tagen war ich 1.539 Minuten auf der Rolle. Das zweite Ergebnis: Das war brutal hart. Mental und physisch brauche ich jetzt unbedingt eine Erholungszeit. Ob es ein enormer Trainingsreiz war oder eine völlige Überlastung für meinen Körper, kann ich nicht wirklich gut einschätzen. Ich denke aber, dass ein bis zwei trainingsfreie Tage pro Woche bei solchen Experimenten Sinn ergeben, auch um einfach kleine Zwischenziele und damit Motivationsanker vor Augen zu haben.

Den absoluten Großteil der Zeit verbrachte ich mit den Händen nicht in den Hoods oder Drops, sondern einfach auf dem Oberlenker. Das war auch ein überraschendes Ergebnis.

Einen FTP-Test konnte ich jetzt natürlich nicht direkt durchziehen, das wäre ohne Erholungszeit Quatsch. Daher wartete ich noch eine Woche, bis ich diesen Formtest absolvierte. Und siehe da: Meine Schwellenleistung stieg deutlich und zwar von 280 auf 302 Watt. Gleichzeitig ist mein Gewicht gesunken, nämlich von 82,2 auf 80 Kilogramm, was auch den neuen FTP-Wert in ein anderes Licht rückt. Ein weiteres klares Ergebnis für mich ist, dass es unbedingt Abwechslung braucht. Egal ob visuell oder akustisch, Vielfalt gibt viel Halt.

Trotz des Fehlstarts waren es 27 sehr intensive Tage. Leistungsmäßig war die Zeit ein absoluter Erfolg. Aber selbst das gesamte Internet-Universum kann nicht mit dem Gefühl mithalten, was ich draußen auf dem Fahrrad bekomme. Zum Glück!

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